Die Werkheim-Neuschwende-Biographie
Das Werkheim Neuschwende wurde 1974 auf Initiative von Eltern gegründet, die nach einem Lebens- und Arbeitsplatz für ihre aus der Schule entlassenen Kinder suchten. Damit diese auch im Erwachsenenalter auf der Grundlage eines anthroposophisch orientierten Welt- und Menschen Verständnisses begleitet und unterstützt werden und in einem gesunden Klima und einer intakten Landschaft handwerklich und künstlerisch tätig sein können.
Im Appenzellerland, ausserhalb von Trogen im Weiler Neuschwende, fanden sie diesen Ort. Die vier grossen, alten Appenzeller Häuser und die Nebengebäude des Weilers entsprachen ganz den damaligen Bedürfnissen. Nach Renovationen, Um- und Neubauten entstanden Wohn- und Werkgruppen mit heute 35 Wohn- und 40 Tagesstrukturplätzen für Erwachsene mit Unterstützungsbedarf. Die ersten Bewohnerinnen und Bewohner zogen am 1. Mai 1974 ins Werkheim. Seit 1998 gehört auch das Haus Parzival als Wohnhaus zu den Werkheim-Liegenschaften. Das Werkheim gehörte damals noch zusammen mit der Stiftung Stöckenweid Feldmeilen und der Heilpädagogischen Schule Küsnacht zum Heilpädagogischen Verein Küsnacht.
Wie bei jeder Organisation lässt sich auch die Geschichte des Werkheims in Entwicklungsphasen einteilen. Die Verfasserin hat dies anhand der vier Phasen einer Organisation
nach Friedrich Glasl versucht. Die Phasen sind teilweise fliessend und deshalb nicht immer klar voneinander abgrenzbar.
In dieser Phase war die Arbeitsmotivation der Mitarbeitenden vor allem von grossem Idealismus geprägt: Alle machten alles, es gab keine festen Arbeitszeiten und Strukturen. • Die Gemeinschaft der Bewohnenden und Mitarbeitenden war ein zentrales Element. Der Heimleiter und die meisten Mitarbeitenden wohnten mit ihren Familien im Werkheim. • Es gab keine getrennten Wohn- und Werkbereiche. Im Vordergrund standen die Gemeinschaft sowie die anthroposophische Grundhaltung mit künstlerischer Betätigung, gesunder Lebensweise, dem gemeinsamen Renovieren der Wohnbereiche in den alten Häusern, der Gartenpflege und der Hauswirtschaft. • Die jungen Männer und Frauen mit Unterstützungsbedarf lebten in nach Geschlechtern getrennten Gruppen zu zweit oder zu dritt in einem Zimmer. • Mit dem Schulaustritt aus der Johannesschule in Küsnacht kamen jedes Jahr neue Bewohnende hinzu, bis das Heim voll belegt war. • Ab 1980 entstanden die ersten Werkbereiche wie die Kerzenwerkstatt. Dort wurden die ersten Produkte für den Adventsmarkt hergestellt
Die Erarbeitung einer rationellen Organisationsstruktur und Integration in einem Organisationshandbuch mit Konzepten, Richtlinien, Sitzungswesen und anderem prägten diese Phase. • Der Werk- und der Wohnbereich wurden voneinander getrennt. • Es wurden feste Arbeitszeiten eingeführt. • Die Zentralküche kochte für alle das Mittag- und Abendessen, das gemeinsam im alten Speisesaal im Rosenhaus eingenommen wurde – auch an den Wochenenden. • Nach und nach trat die Gemeinschaft aller Bewohnenden in den Hintergrund, die einzelnen Wohngruppen wurden gestärkt. • Das Werkheim öffnete sich nach aussen und betrieb aktiv Öffentlichkeitsarbeit.
Die Organisation wuchs zu einer Einheit und kombinierte die Kraft der Pionierzeit mit der Rationalität der Differenzierungsphase. • Da die älter werdenden Angehörigen ihre Söhne und Töchter nicht mehr während allen Ferienwochen betreuen konnten, führte das Werkheim Ferienlager ein. EinigeBewohnende nutzen auch externe Ferienangebote. • Es entstanden Projekte wie Theateraufführungen und Arbeitsgruppen zu Themen wie Partnerschaft und Sexualität oder Gewaltprävention. • Das Werkheim überarbeitete das Leitbild. • Das zunehmende Alter der Bewohnenden und die sich ändernden Bedürfnisse gaben Anlass, die Zukunft der Neuschwende altersgerecht zu planen. • Damit die Bewohnenden auch in ihrem Lebensabend gut informiert, vorbereitet und möglichst selbstbestimmt bleiben, erarbeitete eine interne Arbeitsgruppe das «Konzept Begleitung der Bewohnenden im Lebensabschnitt Alter». • Die Projektgruppe «Sanierung und Erweiterung des Werkheims Neuschwende» arbeitete intensiv an Erneuerungsplänen.
In dieser Phase haben wir die Beziehungen mit anderen Organisationen intensiviert, um gemeinsame Strategien zu entwickeln und Erfahrungen auszutauschen.
Der Neubau • Die Bevölkerung der Gemeinde Trogen zollte dem Neubauprojekt viel Wohlwollen und das Werkheim durfte grosszügige Spenden entgegennehmen. • Am 6. Mai 2015 erfolgte der Spatenstich, umrahmt von einer kleinen Feier. Die «Appenzeller Zeitung» und die Trogener «TIP» berichteten darüber. • Am 27. Juni 2015 wurde der Grundstein aus Kupfer in Form eines Pentagon-Dodekaeders im Fundament eingebaut. Eine Feier umrahmte den Anlass. • Nach einer 18-monatigen Bauphase nahm die Bauherrschaft am 31. August 2016 die Neubauten «Werk 1» und «Werk 2» termingerecht und in hervorragender Qualität ab. • Die Werkheim-Gemeinschaft meisterte die Unsicherheiten und Schwierigkeiten während der Bauphase mit Freude, Neugier und Dankbarkeit für das Entstehende. Die Bewohnenden und Mitarbeitenden orientierten sich auch in dieser Zeit am gewohnten Rhythmus. • Nach einem längeren Prozess mit Befragung der Bewohnenden und Erhebung der Alterungsprozesse passte das Werkheim die Konstellation der Wohngruppen an die jeweiligen Bedürfnisse an. • Im Laufe des Septembers 2016 bezogen die Bewohnenden ihre neuen Zimmer; die neuen Räume der Werkgruppen wurden eingerichtet und die Mitarbeitenden formierten sich zu neuen Teams. • Ein Fest im Herbst 2016 schloss den Einzug in die neuen, zukunftsweisenden Gebäude ab. • Die Mitarbeitenden und Bewohnenden profitieren bis heute von den Annehmlichkeiten, die diese grossen Veränderungen mit sich gebracht haben.
Mit der Loslösung vom Heilpädagogischen Verein Küsnacht und der Bildung des Vereins Werkheim Neuschwende stand das Jahr 2017 weiter im Zeichen von Veränderungen. • An der ersten Mitgliederversammlung vom 1. Juni 2018 verabschiedete das Werkheim den bisherigen Präsidenten und den in Pension gehenden Heimleiter, wählte den neuen Präsidenten und die Vorstandsmitglieder und begrüsste den neuen Heimleiter. • Nach langjährigem Bestehen ist das Werkheim Neuschwende nun ganz in der Region verwurzelt.
Gemäss dem Konzept «Begleitung der Bewohnenden im Lebensabschnitt Alter» hat das Werkheim die Tagesstruktur «Gwonder» für pensionierte Bewohnende eröffnet. • Für das strategische Ziel «Das Werkheim Neuschwende bietet eine durchlässige Struktur im Wohnen und Arbeiten» hat das Werkheim seine Angebote aktualisiert und weiterentwickelt. Neben den bisher angebotenen internen Berufsausbildungen für Bewohnende bietet der Werkbereich nun auch für externe Lernende anerkannte praktische Ausbildungen nach INSOS an. Eine Arbeitsgruppe kümmert sich darum, dass heilpädagogische Schulen, das RAV, andere Einrichtungen für Menschen mit Unterstützungsbedarf, entsprechende Stellen beim Kanton sowie die Gemeinde und Gewerbebetriebe das Ausbildungsangebot kennen. Die Arbeitsgruppe pflegt auch den Kontakt und die Zusammenarbeit mit den Eltern von Jugendlichen am Ende der Schulzeit. • Jedes Jahr bereichern neu eintretende junge Lernende den Alltag und fördern eine gesunde Altersdurchmischung. • Das Werkheim unterstützt Bewohnende mit beruflicher Erfahrung dabei, ihre Fähigkeiten im 1. oder 2. Arbeitsmarkt einbringen zu können. • Das Konzept «Wohnen im Dorf» ergänzt das stationäre Wohnangebot. Es ermöglicht den Bewohnenden die soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Alltagsleben in Trogen und eine grösstmögliche Autonomie in der Lebensführung. Die Bewohnenden erlernen die Nachbarschaftspflege, kaufen selbstständig ein, nehmen am Vereinsleben teil, gestalten ihre Freizeit und nutzen wichtige Infrastrukturen und öffentliche Verkehrsmittel. Das Leben in der Wohngruppe orientiert sich an einem für die meisten Menschen normalen Alltag. Das Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort organisieren und bewältigen die Bewohnenden selbstständig. Damit bietet die Einrichtung ein höheres Mass an Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit. All diese Veränderungen und erreichten Ziele in den 50 Jahren seit Bestehen des Werkheims lassen uns zuversichtlich in die Zukunft blicken. Wir werden aber auch weiterhin unser Angebot laufend anpassen und weiterentwickeln. Die nächsten Schritte sind im neuen Projekt «Sanierung der Altbauten» bereits geplant, um die historischen Appenzeller Häuser auch weiterhin als einen behaglichen und zeitgemässen Lebensraum für die uns anvertrauten Menschen zu erhalten.